Turmführungen in St. Peter und Paul parallel zum Bauernmarkt

Die beiden kleineren Türme, die heute mitten aus der Kirche herausragen, sind noch älter und stammen aus der Mitte des 12. Jahrhunderts. Einige Bilder und Gegenstände machten die Funktion in früheren Zeiten deutlich. Hier im Turm wird z. B. ein Faksimile der Stadterhebungsurkunde aufbewahrt (das Original befindet sich im Stadtarchiv), um anzudeuten, dass hier im Turm früher in einem Archivschrank viele Urkunden der Stadt aufbewahrt wurden, weil sie hier sichern waren. Der Turm ist somit der Gründungsort des Stadtarchivs. Die alte Holzplastik des Erzengels Michael an der Wand ist ein Zeichen dafür, das hier früher Recht gesprochen wurde.
Die aus Eichenholz geschnitzte Figur „Mutter mit Kind“ entstand nach 1945, als die Kirche teilweise zerstört war und der Ratinger Künstler Johannes Tefert die verkohlten und zerborstenen Holzbalken des Dachstuhles mit „neuem Leben“ erfüllte und ein Zeichen der Hoffnung gestaltete.
Spannend ist auch die Geschichte des Nachtwächters, der in früheren Zeiten jeden Abend auf den Turm kletterte, um von hier aus stündlich die Zeit auszurufen. Eine Stundenkerze zeigte ihm die Zeit an. Auch tagsüber stiegen Wächter auf den Turm, um das Umland zu beobachten, wenn es irgendwo brannte oder wenn fremde Soldaten sich der Stadt näherten.
Nach den vielen Geschichten, die vom „Leben“ im Turm berichten, ging es für die Besucher weiter über eine Wendeltreppe und Holzleitern hoch zu den Glocken. Hier konnten Joachim Jünke, Frank Bettermann, Eva Müskens und Marco Dadomo viele Informationen über die Glocken weitergeben und Geschichten erzählen, die mit den Glocken zusammenhängen. Im Mittelpunkt hängt die größte Glocke, die Märch (Mergen) oder Marienglocke von 1498. Sie wurde zum Schutz vor Feinden einmal abgehängt und im Wald vergraben. Hier wurde sie Jahre später von Schweinen wiederentdeckt. „Peter und Paul“, die direkt neben der Märch hängt, trägt eine interessante Inschrift auf Mittelhochdeutsch: „Sent peter und pauwels heischen ich, en de ere gots ludden ich, die levendigen roifen ich, die doiden beclage ich. Joh. van Nuys ind Reinhard syn son goissen mych MDXXIII“. Sie stammt also aus dem Jahr 1523. Ein Hammer schlägt dreimal täglich auf sie ein, um den „Engel des Herrn“ einzuläuten. Die älteste Glocke ist der heiligen Katharina geweiht. Sie ist ungefähr so alt wie Stadt Ratingen.
Drei Glocken stammen aus dem Jahre 1958: „Christ König“, „Franziskus“, und „Anna“. Sie waren damals der Ersatz für drei Glocken, die im 2. Weltkrieg abgegeben werden mussten. Auch diese Glocken waren in den 20ger Jahren dazugekommen, nachdem ihre Vorgängerinnen im 1. Weltkrieg zu Kriegszwecken im Turm zerschlagen wurden.
1994 wurde „Edith Stein“ gegossen. Auch sie erinnert mit ihrem Namen an die Zeit des Nationalsozialismus, als Menschen wegen ihrer Herkunft oder wegen ihrer Einstellung in Konzentrationslager kamen oder getötet wurden.
Die jüngste Glocke ist dem hl. Sebastianus geweiht und trägt neben seinem Bild ein weiteres Bild, nämlich das des Bajazzos. Der Grund liegt darin, dass diese Glocke 2017 von der St. Sebastiani-Schützenbruderschaft und von den Karnevalisten gestiftet wurde. Den Klöppel lieferten die „Ratinger Jonges“ dazu. Ohne Klöppel kann keine Glocke einen lauten Ton von sich geben.
Es beeindruckt die Besucher immer wieder, wie diese 8 Glocken über zwei Etagen in einem hölzernen Glockenstuhl aufgehängt sind. Wichtig ist, dass sie alle aufeinander abgestimmt sind. Ein mächtiges Geläut über der Stadt Ratingen.
Als diesmal die letzte Gruppe an diesem Sonntag den Turm verließ, fingen alle Glocken an zu läuten. Manch einer guckte nach oben: „Da waren wir eben!“ Das Klettern zu den Glocken hatte sich gelohnt. Und das Vorbereitungsteam freute sich über den Erfolg des Tages.
Text + Foto: Hans Müskens